Pistoia: Ein Halbtagesausflug

Pistoia: Ein Halbtagesausflug Es ist ein wunderschöner Frühlingstag 

Ende April: Die Sonne scheint und es ist nicht zu heiß – ideal, um die schönen toskanischen Städte der Kunst und Kultur zu besichtigen. Freunde aus Ligurien bitten mich um Rat: “Wo könnten wir denn heute hinfahren?” Ich antworte: “Welche Städte würden euch denn interessieren?” Anfangs schlagen sie eine außergewöhnliche Kombination vor: Pistoia und Arezzo. Ich weise sie darauf hin, daß Arezzo sicherlich eine sehr interessante Stadt ist, es aber wegen der großen Entfernung der beiden Städte äußerst schwierig ist, sie miteinander zu verbinden. Daher schlage ich vor, uns auf Pistoia zu beschränken und noch einen Besuch in Vinci anzuschließen. An diesem Tag werde auch ich zur Touristin in der Toskana. Pistoia ist nicht weit von hier und die Stadt stellt sich als sehr eindrucksvoll heraus. Mit ihrem beeindruckenden mittelalterlichen Stadtkern ist sie verständlicherweise eines der Hauptziele, die unsere ausländischen Gäste besichtigen möchten. Auch wenn es für uns Einheimische der Toskana “nur” die Hauptstadt der Baumschulen ist, wo Breda (später AnsaldoBreda, heute Hitachi) Züge und Busse produziert und es einen berühmten Zoo gibt. Gerade weil es hier bei uns so viele Sehenswürdigkeiten im Überfluss gibt, begehen auch wir manchmal den großen Fehler, immer nur die Hauptattraktionen zu besuchen. Nun also auf nach Pistoia! Die wunderschöne Kirche von San Francesco in Pistoia (Fotobearbeitung von diocesipistoia.it) Es ist sehr einfach nach Pistoia zu fahren, da Pistoia eine eigene Ausfahrt auf der Autobahn A11 Firenze-Mare (Florenz-Meer) hat. Laut Google, beträgt die Entfernung von La Scuola di Furio bis zur Mautstelle der Ausfahrt Pistoia 33,8 km mit einer Fahrzeit von 31 Minuten. Wir haben unser Navi auf das Stadtzentrum programmiert. Ich könnte mich selbst ohrfeigen, weil ich zu hause und in den Ferienwohnungen massenhaft Stadtpläne und Stadtführer in allen Sprachen herumliegen habe, die uns nun helfen könnten, uns zu orientieren. Und stattdessen habe ich alles zu hause vergessen und nichts mitgenommen, weswegen wir nun unvorbereitet in die Stadt gehen! Das Navigationsgerät ist, wie gesagt,  auf das Stadtzentrum programmiert, aber uns ist durchaus bewußt, daß wir trotzdem aufpassen müssen. Es gibt sicherlich blaue Verkehrszonen mit Einschränkungen oder Fahrverboten, und wir möchten keinen Strafzettel riskieren! Wir beschließen, in der Via Pellegrino Antonini zu parken. Die blauen Markierungen der Parkplätze weisen  uns darauf hin, daß diese gebührenpflichtig sind. Aber es ist Sonntag, daher müßte es heute nichts kosten. Um ganz sicher zu gehen, werfe ich 20 Cent in den Parkautomaten. Mit diesem Betrag sind wir berechtigt bis am nächsten Morgen dort zu stehen. Heute muß man also nichts zahlen. Wir entdecken, daß wir uns gleich hinter der Piazza San Francesco mit seiner imposanten Kirche und dem Kloster von San Francesco befinden. Als wir davor stehen, ruft einer meiner Freunde aus: “Aber das ist doch sicherlich der Dom von Pistoia!” Ich für meinen Teil weiß, daß dem nicht so ist, weil zwar beide Kirchen die charakteristische Fassade aus schwarz-weißen Marmorstreifen haben, ich aber Fotos vom Dom gesehen habe. Ich stelle mir vor, daß er noch mehr im Stadtzentrum und auf jeden Fall auf einem älteren Platz liegt, der von kleinen engen Gassen umgeben ist. Kaum will ich den Mund aufmachen, um ihm dies zu sagen, spricht uns ein Herr an, der zur Sonntagsmesse eilt, und erklärt uns netterweise, daß dies die Kirche von San Francesco sei. Er gibt uns auch wertvolle Hinweise, wie wir zur Piazza Duomo gelangen können, wo der eigentliche Dom liegt. Pistoia Sant’Andrea (foto: By Geobia via commons.wikimedia.org bearbeitet) Auf unserem Weg ins Zentrum kommen wir in der Via Sant’Andrea vorbei, wo sich die gleichnamige Kirche von Sant’Andrea befindet, die praktisch gegenüber von Palazzo Fabroni, liegt, der sowohl permanente als auch zeitlich begrenzte Ausstellungen beherbergt. Wir sind zwar erst seit wenigen Minuten in Pistioa angekommen, doch wir haben bereits den Eindruck von einer sehr hübschen kleinen Stadt, die voller Kirchen und sehr gepflegt ist. Da wir in unserer Gruppe zwei Personen haben, die Andrea heissen, können wir nicht umhin, einzutreten. Im Innern gibt es gerade eine Besichtigung mit Führung und wir wollen nicht zu sehr lauschen. Uns fällt jedoch eine wunderschöne Kanzel von Giovanni Pisano auf. Wir setzen unseren Spaziergang fort und bemerken zwischen den vielen Dächern der Stadt eine schöne Kuppel aus Backstein (von Giorgio Vasari gebaut) und gehen in ihre Richtung. Auch diese Kirche ist nicht der Dom, sondern die Basilika der Madonna der Demut (Chiesa della Madonna dell’Umiltà). Die wunderschöne Kuppel der Wallfahrtskirche Basilika Madonna dell’Umiltà, Pistoia Von meinen Freunden, die in Pistoia wohnen, weiß ich, daß es hier einen Platz gibt, der Piazza della Sala heißt und sehr lebhaft sein soll. Voller kleiner Lokale, in denen man ein Aperitif zu sich nehmen, eine Kleinigkeit essen, wie zum Beispiel eine Platte mit Wurstwaren und Käse und ein Bier trinken kann. Heute ist Sonntag und auf der Erde liegen noch Glasscherben von kaputten Flaschen herum, die davon zeugen, daß hier in der Nacht zuvor einiges los war. Wie immer fürchte ich, daß sich Napo an den Pfoten verletzt. Der “Sala”, wie der Platz von den Einheimischen genannt wird, sieht sehr gemütlich und hübsch aus und es gibt sogar einen Brunnen, genannt Leoncino (kleiner Löwe). Ich entdecke, daß dieser Leoncino ein florentinischer Marzocco-Löwe ist, der davon zeugt, daß Pistoia einst ein Untertan von Florenz war. Piazza della Sala mit dem Leoncino-Brunnen in Pistoia (foto: it.wikipedia.org bearbeitet) Wir versuchen, um die Glasscherben auf dem Boden herumzugehen, biegen vom Sala-Platz in die Via di Stracceria ein und gelangen somit (Hurra!) endlich zum Dom-Platz (Piazza del Duomo). Auf dem Weg kommen wir an einem der Lokale vorbei, die mir meine hiesigen Freunde empfohlen haben, die “Locanda del Capitano del Popolo”, auch “da Checco” genannt und wir bestellen einen Tisch für das Mittagessen. Fast gegenüber auf der wirklich sehr engen Straße liegt  ein sehr schönes Schmuckgeschäft, “Il Vezzo”. Eine Freundin geht hinein, um sich eine Halskette reparieren zu lassen, und am Ende kommen wir alle drei mit einem Einkauf wieder heraus. Das Fremdenverkehrsamt von Pistoia befindet sich im Erdgeschoss dieses Backsteingebäudes, dem Antico Palazzo dei Vescovi (Alter Bischofspalast), unter dem kleinen Vordach. Links sieht man einen Teil des Doms. Foto: Monica Limoncini Endlich kommen wir auf den ausladenden Domplatz! Eigentlich gibt es hier, außer dem Dom, mehrere wichtige Gebäude: der Campanile (Turm), il Battistero (Taufkapelle), L’Antico Palazzo dei Vescovi (alter Bischofspalast), der Palazzo Pretorio und der Palazzo Bracciolini delle Api. Es gibt sogar ein Fremdenverkehrsamt, wo wir ein paar Stadtpläne bekommen. Der Campanile (Turm) des Doms von Pistoia Um auf die 200 Stufen des Campanile zu steigen, werden am Wochenende kostenlose, geführte Besichtigungstouren organisiert. Wir haben die Tour von 11.00 Uhr leider verpasst und schaffen es nicht, auf die nächste um 16.00 Uhr zu warten. Tickets hierfür gibt es im Battistero. Das Battistero di San Giovanni in Corte ist in eine Art Häuserschlucht hineingebaut und grenzt tatsächlich ganz nah an die Rückseite der Geschäfte der Via Stracceria. Im Eingang des Battistero steht eine bemerkenswerte moderne Skulptur, die “Auferstehung” von Adriano Veldorale. Die Auferstehung von Adriano Veldorale im Battistero di San Giovanni in Corte in Pistoia Foto: Stefano Marianelli Nun ist es bereits Zeit zum Mittagessen und wir kehren zurück in die “Locanda del Capitano del Popolo” oder “Da Checco” für ein leckeres Mittagsmahl. Danach sind wir zwar müde aber trotzdem satt und glücklich und beschließen, nun den Dom von Pistoia zu besichtigen, die “Kathedrale des Heiligen Zeno”. Die Außenfassade des Doms von Pistoia, der Sankt Zeno geweiht ist Außerhalb des Doms gibt es einen Bogengang, wo wir uns setzen können, ideal für uns Faulenzer. Das Innere ist groß und beeindruckend mit einer schönen Decke aus bemalten Holzbalken. Das Innere des Doms von Pistoia Wir verlassen nun den Dom-Platz und biegen in die Via Della Torre ein. Meine Freundin Livia hat mir empfohlen, hier langzugehen und sagte, daß viele Fernseh- und Kinoproduktionen hier Filme drehen, die im Mittelalter spielen. Das glaube ich gleich! Das Szenenbild ist schon fertig! Via Della Torre in Pistoia Foto: Massimo Luca Carradori https://www.facebook.com/massimolucacarradori Wir biegen nach links und nehmen Viale Filippo Pacini, um in die Piazza Giovanni XXIII und zum Ospedale (Krankenhaus) des Ceppo zu gelangen. Es wurde bereits im Jahr 1277 gegründet und war die Anlaufstelle für alle Bürger während der Pestwelle, die Pistoia 1348 heimsuchte. Daher hinterließen viele Bürger der Stadt dieser Einrichtung ihre weltlichen Güter. Die Loggia geht hingegen auf das Jahr 1514 zurück und ist dekoriert mit den “Sette Tavole” (Sieben Gemäldetafeln). Jede Tafel (sechs stammen von Santi Buglioni, die letzte hingegen von Filippo Paladini) beschreibt die verschiedenen Arten der Wohltätigkeit, die in diesem Krankenhaus ausgeübt wurden: Die Nackten kleiden, Töchtern armer Leute eine Mitgift spenden und Witwen und Waisen beistehen; Pilgern Unterschlupf gewähren, Kranke pflegen; Gefängnisinsassen besuchen; die Toten begraben; die Hungernden speisen und den Durstigen zu Trinken geben. Dieser Fries ist ein wunderbares Zeugnis, wie früher die Bevölkerung, die des Lesens nicht mächtig war, unterwiesen wurde. In einer Welt, in der die Kirche noch Lateinisch sprach, wurden so die 7 Tugenden der Barmherzigkeit erklärt.  Die Keramikscheiben sind hingegen die Werke von Giovanni della Robbia und bilden “Die Verkündung des Herrn”, “Die Herrlichkeit der Jungfrau”, die “Heimsuchung” und das Wappen der Medici (die Familie Medici aus Florenz ist immer präsent) ab. Das bin ich vor dem Krankenhaus des Ceppo in Pistoia  Es erscheint unglaublich, daß dieser Palast, der heute als Behördensitz dient, noch bis 2013 als städtisches Krankenhaus fungiert hat. Das Krankenhaus des Ceppo wurde so nah an den Wildbach Brana gebaut, daß seine Fundamente daran grenzen. Hier liegt auch der Eingang, um den Untergrund von Pistoia zu besichtigen. Diese Besichtigungstour wurde mir wärmstens empfohlen. Aber heute ist ein so schöner Tag und wir haben nicht viel Lust, uns in den unterirdischen Labyrinthen von Pistoia zu verkriechen, wie interessant diese auch immer sein mögen. Stattdessen haben wir mehr Lust, Richtung Parkplatz zu gehen, um das Auto zu holen und nach Vinci aufzubrechen!

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